ALEGrO – Meilenstein Augustinerwald

Am 24. August 2019 wurde ein wichtiger Meilenstein für die Fertigstellung der ersten Strombrücke von Deutschland nach Belgien erreicht. Die Horizontalspülbohrung unter dem Augustinerwald war bautechnisch hoch anspruchsvoll und stellte einen der schwierigsten Trassenabschnitte dar. Mit dem erfolgreichen Rohreinzug am Augustinerwald ist man im Projekt ALEGrO der Fertigstellung in 2020 ein wichtiges Stück näher gekommen.

ALEGrO – so nennt sich die rund 90 km lange Stromverbindung zwischen Deutschland und Belgien. Der Name steht für Aachen-Liège Electricity Grid Overlay. Es handelt sich um die erste Verbindung auf Übertragungsnetzebene zwischen Deutschland und Belgien. Amprion realisiert das Projekt gemeinsam mit dem belgischen Übertragungsnetzbetreiber Elia und setzt dabei auf eine neue, innovative Technologie: Höchstspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) auf einer Spannungsebene von 320-kV als Erdkabel. Hierbei handelt es sich um eine verlustarme Übertragung hoher Leistungen.

Einzugsgarnitur

Als ein „Project of Common Interest“ (PCI) – einem Netzausbauprojekt von gemeinsamem Interesse – wird ALEGrO von der Europäischen Union gefördert. Wachsender Stromverbrauch bei Sicherstellung der Stromversorgung sowie der Ausbau erneuerbarer Energien verlangen den Ausbau der Übertragungsnetze innerhalb der EU. Von ALEGrO profitieren Stromkunden in Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Aufgrund der internationalen Wichtigkeit wurde das Projekt bereits im Jahr 2012 im ersten Netzentwicklungsplan (NEP 2012) als notwendige Ausbaumaßnahme für das Stromnetz aufgeführt und ist daher in das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) als Pilotprojekt aufgenommen worden.

Auf deutscher Seite plant und baut Amprion den etwa 40 km langen Trassenabschnitt. Von der Konverterstation in Niederzier – Oberzier verläuft die Trasse zunächst in südlicher Richtung bis zur Autobahn A4 und folgt dieser unter Berücksichtigung der Schutzgebiete, Bebauung und Infrastruktur in Richtung Westen bis zum Autobahnkreuz Aachen. Hier knickt sie nach Süden hin ab und orientiert sich hierbei am Verlauf der Autobahn A44. Das Trinkwasserschutzgebiet Eicher Stollen südlich von Aachen Brand bei Aachen-Hitfeld wird westlich in offener Bauweise umgangen. Kurz vor dem Übergabepunkt zum belgischen Netzbetreiber Elia erfolgt die Querung des Augustinerwaldes – eines der ältesten Waldgebiete Aachens – in geschlossener Bauweise mit Hilfe einer Horizontalspülbohrung (HDD).

Nachdem Amprion im Mai 2017 den Planfeststellungsantrag auf der Basis der Entwurfs- und Genehmigungsplanung des IB Berg bei der Bezirksregierung Köln zur Genehmigung eingereicht hatte, wurde im Oktober 2018 der abschließende Planfeststellungsbeschluss für den konkreten Trassenverlauf erteilt. Noch im gleichen Monat wurde mit dem Spatenstich der Beginn der Bauarbeiten eingeleitet und der Bau begonnen.

Die Bohrung unter dem Augustinerwald begann im Mai 2019. Das HDD-Verfahren wird bei einer Vielzahl von Leitungsbauprojekten aufgrund der oberflächenschonenden Verfahrensweise zur Querung vorhandener Infrastrukturen und zum Erhalt schützenswerter Naturräume eingesetzt. Häufig findet es Anwendung bei Längen von einigen hundert Metern. Die Länge der Bohrung unter dem Augustinerwald beträgt hingegen fast 1.200 m – in der anstehenden Geologie und dem zu verwendenden Rohrwerkstoff Kunststoff eine Herausforderung. Hinzu kommt ein Höhenunterschied von rund 23 m zwischen der Nordseite (Austrittsstelle) und der Südseite (Eintrittsstelle) der Bohrung.

Die HDD-Bohrung wurde durch das Ingenieurbüro H. Berg & Partner geplant und durch die Unternehmen PPS Pipeline Systems GmbH und Beermann Bohrtechnik GmbH ausgeführt. Die Bohrung verläuft bis auf den kurzen Bereich der Decklehme in einer Wechsellagerung von Festgesteinen bestehend aus Ton- und Sandstein. Aufgrund der Länge der Bohrung sowie der Herausforderungen der Geologie entschied man sich für die Verlegung der 3 Schutzrohre (DA 280 mm aus PE 100 HT) in einem Bohrkanal, der auf 800 mm aufgeweitet wurde.

Fly-Cutter

Ausgehend von der Eintrittsstelle erfolgte zunächst eine Pilotbohrung mit einem 6 5/8“ Gestänge und 12 ¼“ (ca. 280 mm) Bohrmotor von Süden nach Norden. Als Ortungssystem wurde ein Kreiselkompass der Firma Brownline eingesetzt. Aufgrund von Bohrspülungsverlusten musste das Pilotieren mehrfach unterbrochen werden, um eine vorwärts gerichteten Aufweitung des Bohrkanals zur Druckreduzierung auszuführen. Diese wurde mit Hilfe eines Fly-Cutters (siehe Bild) auf ein Maß von 400 mm hergestellt. Trotz der strikten Einhaltung der zuvor erläuterten Parameter musste bei einer Bohrungslänge von ca. 630 m aufgrund der wiederholten Bohrspülungsverluste im Bereich der Trennflächen zwischen Sand- und Tonstein auf den Einsatz einer zweiten Bohranlage zur Durchführung einer Pilotbohrung von der Austrittsseite her umgestellt werden, um ein Meeting-in-the-Middle auszuführen.

PDC-Räumer

Von nun an bohrten zwei Bohranlagen zeitgleich mittels Bohrmotor und Kreiselkompass ergänzt um eine Radarortung unter höchster Präzision aufeinander zu (Intersect-Methode). Am 27.06.2019 trafen sich die beide Pilotbohrungen zielgenau. Anschließend mussten zwei weitere Aufweitvorgänge des Bohrloches ausgeführt werden. Zunächst wurde der Bohrkanal auf 650 mm mit Hilfe eines PDC-Meißels aufgeweitet.

Nach erfolgreicher Fertigstellung folgte die Aufweitung auf 800 mm, ebenfalls mit Hilfe eines PDC-Meißels auf das für den gemeinsamen Rohreinzug erforderliche Endmaß.

Zur Überprüfung und Sicherstellung, dass das Bohrloch frei von Hindernissen ist und alle Voraussetzungen für den Rohreinzug erfüllt sind, wurde nach Vollendung der Aufweitvorgänge noch ein Check-Trip durchgeführt. Am frühen Morgen des 24. August startete schließlich der Rohreinzug nach langer Vorbereitungszeit. Beim Rohreinzug traten gut tolerierbare Kräfte von maximal etwa dem halben Wert der zulässigen Zugkräfte der PE Rohre auf. Zur Zufriedenheit aller wurde der Rohreinzug am frühen Abend des Tages erfolgreich abgeschlossen.